Steinschlaggalerie Aulta

Das lange Bauwerk integriert sich in die spektakuläre Naturlandschaft und schützt plausibel die RhB-Gleise und den Wanderweg vor Steinschlag und der Masse des unaufhaltbaren Geschiebes des Berghangs. Der sichtbare Teil der Galerie ist eine massive lange Wand mit Öffnungen. Durch die Form und die Repetition der Öffnungen erhält die gewschwungene Wand eine Musterung.

Die archaische Formensprache erinnert sowohl an die traditionellen Bogenmotive der Kunstbauten der RhB aus Naturstein als auch an die Fachwerkträger der nahe gelegenen Stahlbrücke über den Vorderrhein. Die Stützmauern der beiden Portalseiten schliessen im  flachen Winkel an die Böschungen an, sind leicht geneigt und verbinden sich so trotz wenig sichtbarer Fläche sanft mit dem Gelände.

Lage
Am Fuss eines 170 Meter mächtigen Abhangs gelegen, unmittelbar an einen Prallhang des Vorderrheins anschliessend, verläuft die RhB-Linie Reichenau-Disentis, eingebettet in eine spektakuläre Naturlandschaft. Es gibt bis heute keinen Weg durch diesen abgelegenen Teil der Rheinschlucht neben der Bahnlinie.

Galerie
Parallel zum Vorderrhein verlaufend, bildet die Steinschlaggalerie am Fuss des Hangs eine Stufe und zeigt sich in der Landschaft als breite Stützmauer. Fassade und Dachfeld bilden zusammen das Überleitbauwerk für das Geschiebe. Die Gestaltung der  ussseitigen Fassade widerspiegelt dabei die enormen Kräfte der über ihr liegenden, erodierenden Gesteinsmassen. Dadurch geht die Galerie mit dem Hang sowohl optisch als auch inhaltlich eine Verbindung ein. Reisenden bietet dieser Abschnitt gerahmte sequenzierte Blicke durch dreiecksförmige Öffnungen auf das gegenüber liegende Ufer mit der Wiese ‘Auf Davos’

vor dem Hangwald, wie auch auf die türkisblaue Fläche des Rheins. Für Zugreisende dauert dieses Intermezzo rund 15 Sekunden, für Wanderer drei bis fünf Minuten. Die archaische Formensprache erinnert sowohl an die traditionellen Bogenmotive der Kunstbauten der RhB aus Naturstein als auch an die Fachwerkträger der nahe gelegenen Stahlbrücke über den Vorderrhein. Die Stützmauern der beiden Portalseiten schliessen im flachen Winkel an die Böschungen an, sind leicht geneigt und verbinden sich so trotz wenig sichtbarer Fläche sanft mit dem Gelände.

Mit der hellen, beige-grauen Tönung des groben Sichtbetons gleicht sich die Erscheinung des Bauwerks dem Gestein des Hangs an. In Anlehnung an das Portal des nahe gelegenen Tunnels ist es grob in seiner Ober äche und lässt bewusst Einwirkungen der Witterung zu, dank denen das Bau- werk mit der Zeit eine Verbindung mit seinem Umfeld eingeht und so zum integralen Bestandteil der Landschaft wird.

Wanderweg
Der begleitende Wanderweg wird in der Galerie auf das Niveau der konstruktiv notwendigen Leitmauer angehoben. Vom Weg aus bietet sich dadurch eine kanzelartig erhobene Sicht auf das gegenüberliegende Ufer. Die hohen schmalen Öffnungen reichen vom Boden bis zur Decke und bilden durch die Tiefe der Mauer geschützte, arkadenartige Nischen aus. Die Lichtreflexion vom Boden des Weges wie vom Rhein erhellt den Galerieraum. Da die losgelöste Konstruktion des Wander- wegs zwischen Leitmauer und Leitkante mit Dämpfungsmaterial aufgefüllt wird, bildet er gleichzeitig einen effzienten Anprallschutz aus. Entfällt der Wanderweg, bleibt das Gesamtbild praktisch unverändert erhalten.

Historisches Erbe 
Die Kunstbauten der RHB – meist Bogenkonstruktionen – sind in die Landschaft integrierte, stark rhythmisierte Bauwerke, mit handwerklichem Charme und muralem Charakter. Obwohl die Galerie Aulta mit industrieller und e zienter Fertigung erstellt wird, erinnert ihre Gliederung, Haptik und Materialität an diese historischen Bauten und knüpft damit an die Bautradition des UNESCO Weltkulturerbes an.

Landschaft
Das Bauwerk fügt sich als statischer Artefakt in die Situation ein. Der Prozess der Hangerosion wie auch des Geschiebetransportes des Rheins sind hingegen unaufhaltsam. Aus dieser Dialektik heraus wird ein Anfangszustand dekliniert, der einerseits die Dynamik visualisiert, andererseits der Kunstbaute einen zusätzlichen Naturwert abgewinnt.
Auf dem Dach der Steinschlaggalerie entsteht eine offene Trockenwiesenfläche, die jeweils im Herbst – zum Zeitpunkt minimalster Aktivität des Hangs und abseits der effektiven Rutschungen - geschnitten wird. Einzelne Strauchpflanzungen sowie platzierte Gesteinsstrukturen binden das Dach in die umgebende Landschaft ein und schaffen vielfältige Lebensräume. Im Bereich der stärksten Erosionstätigkeit des Hangs wird mit dem Bau der Galerie bereits ein Schüttkegel vormodelliert, in dessen Nahbereich die natürliche Sukzession und Überschüttung ablaufen. Die Ausbildung dieser kegelförmigen Überschüttung bereits im Ausgangsstadium sorgt dafür, dass sich das Bauwerk von Anfang an in den Hang integriert und rasch Gesteinsschutt über die Galerie in den Fluss überströmen wird. Die Uferböschung entlang des Flusses ist heute mit einem Blocksatz be- festigt. Darauf aufbauend werden punktuell Ausweitungen gesetzt. Dadurch kann im Kleinen eine natürliche Dynamik von Auflandung und erneuter Abtragung in Abhängigkeit des Pegelstandes entstehen. Zusammen mit dem Zustrom von überfliessendem Hangschutt entsteht künftig ein deutlicher Mehrwert aus Sicht der dynamischen Eigenart dieses Naturdenkmals der Rheinschlucht. 

Lebensraum/Ökologie
Mit der Definition geeigneter Zielarten aus Flora und Fauna wird die Projektidee unterstrichen. Für die Trockenwiesein Verbindung mit dem dynamischen Felshang schlagen wir dafür vor:
- Gemeine Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris), eine Zielart für steinige Trockenwiesen und –weiden auf Kalk / kollin-montan / J, ME, GR (Rheintal), örtliche Verbreitung gegeben gemäss Flora Helvetica 2018
- Schlingnatter (Coronella austriaca austriaca) (karch): Die Schlingnatter besiedelt die ganze Schweiz von den Niederungen bis auf etwa 2‘100 m Höhe. Essentiell für ihr Vorkommen scheint die Beschaffenheit des Untergrundes zu sein. Das Tier bevorzugt rasch abtrocknende, sich stark erwärmenden Böden. In der Schweiz sind dies vor allem steinige oder felsige Flächen und flachgründige Hanglagen. Die ökologischen Ansprüche der Schlingnatter sind hoch. Eine intakte Echsenpopulation als Nahrungsgrundlage ist vielerorts unerlässlich. Folgende Massnahmen sind angezeigt: Erhalt offener, sich gut erwärmender Flächen (Schutthalden und Felsfluren, Schotter, Kies, Blockwürfe, Steinbefestigungen, Steinkörbe, Trockenmauern, Lesesteinhaufen etc.), wenn nötig auch durch Entfernen grösserer schattenwerfender Bäume und Sträucher. Erhalt/Anlage und Pflege von Kleinstrukturen aller Art (Trockenmauern, Lesesteinwälle, Steinhaufen, Holz-, Gras- und Komposthaufen etc.) in potenziellen Lebensräumen.

Konstruktion, Bau
Die hangseitige Mauer dient und funktioniert als Stützmauer und sichert die Abtragung der horizontalen Einwirkungen infolge Erddruck. Die Betondecke ist sowohl als Platte wie auch als Scheibe konzipiert. Zur Sicherstellung einer hohen Duktilität wird die Decke mit Schubkörben bestückt und ermöglicht dadurch eine recht schlanke und kostengünstige Konstruktion. Die gemäss Nutzungsvereinbarung geforderte, aussergewöhnliche Steinschlageinwirkung Sz 100, kann durch das vorgeschlagene Dämpfungssystems gut absorbiert werden. Einerseits werden durch die leicht geneigte Form der Steinschlaggalerie und ander- seits durch die Verwendung des Dämpfungssystems Rockfall-X wie auch die Sicherstellung eines duktilen Tragverhaltens (Schubkörbe) die vertikalen Einwirkungen auf die Galeriedecke positiv beeiflusst und dementsprechend reduziert. Die infolge Steinschlageinwirkung entstehenden Horizontallasten werden durch die Scheibenwirkung der Galeriedecke abgetragen und anhand der Querschotten, welche in einem Achsabstand von ca. 20 m angeordnet sind, an den Baugrund übergeben. Die infolge Steinschlag Sz 100 entstehenden Horizontalkräfte und daraus resultierenden Kippmomente werden durch eine geschickte Anordnung der Mikropfähle am Ende der Betonschotten, in den Baugrund eingeleitet.

Die Randbereiche werden mit BAFU-zerti zierten Steinschlagschutzbarrieren gesichert. Analog zum geologischen Bericht werden Netze verschiedener Energie- und Höhenklassen, jedoch vom selben Werktyp eingesetzt.

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